Henrik Nebelong über sein Buch ”Liebesverbot! – Sex und Antisex in Wagners Dramen”

Vortrag, Leipzig, April 2017

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!

Es ist eine grosse Ehre für mich hier in Richard Wagners Geburtsstadt einen Vortrag halten zu dürfen. Ich bedanke mich recht herzlich für die freundliche Einladung.

Henrik Nebelong, Foto: Astrid Haugland, 2008. Montage 2017.

Zunächst möchte ich mich mit ein paar Worte vorstellen:

Ich bin nicht als Musik- oder Literaturwissenschaftler ausgebildet, sondern als Jurist. Ich habe 35 Jahre lang als Rechtsanwalt gearbeitet. Das ist vielleicht nicht nur ein Nachteil, wenn man sich mit Musik und Dramatik beschäftigt. Als Jurist habe ich vielleicht gewisse Fragen gestellt oder gewisse Perspektive gewählt, die für einen Literaten oder einen Musiker nicht natürlich oder geläufig wären. Das hoffe ich wenigstens. Und neue Fragen können vielleicht einzelne neue Einsichten bedeuten, ja, vielleicht selbst wenn das Thema Richard Wagners Werke heisst, die ja schon in Tausende und aber Tausende scharfsinnige Bücher analysiert worden sind.

Wenn ich hier und da etwas Interessantes entdeckt habe, das bisher noch nicht in allgemeinen bemerkt oder ausreichend geschätzt wurde, dann ist es übrigens nicht notwendigerweise mein eigenes Verdienst. Es mag in der Zeit liegen. TEMPORA MUTANTUR ET NOS IN ILLIS. Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen. Wagner ist für uns nicht mehr nur ein bombastischer Vertreter von Romantik und Deutschtümelei, er hat uns durch die Zeiten begleitet und wurde unterwegs zum Sozialisten und Nazi, zum Freudianer, Surrealisten, Ökovorkämpfer, ja sogar zum Feministen und „Absurdisten“. Vermutlich wird er sich vor unseren Augen und Ohren auch noch in kommenden Jahrhunderten weiter verwandeln.

Neben meiner juristischen Arbeit habe ich mich intensiv mit Musik und insbesondere mit Wagner beschäftigt. Unter anderem habe ich seine 10 Hauptwerke in dänischer Sprache übersetzt.

Es wäre übrigens interessant – zumindest für uns Dänen – einmal das Verhältnis zwischen Wagner und Dänemark zu untersuchen. Hier geht es um wesentlich mehr als die kurze, hochgespannte Stunde, wo Wagner und seine erste Frau Minna mit dem grossen Neufoundländer Robber sich im Kabelgatt des Schoners Thetis‘ vor Hamlets Schloss Kronborg in Helsingör während der Zollinspektion versteckten.

Wagners zwei Jahre ältere Schwester Ottilie wohnte als Zwanzigjährige ein ganzes Jahr bei der Familie Oehlenschläger in Kopenhagen. Sie war mit der Tochter Charlotte des dänischen Dichterkönigs Adam Oehlenschläger eng befreundet. Charlotte hatte früher ein Jahr in Leipzig bei der Familie Brockhaus gewohnt. Hier bewunderte der junge Richard ihr Klavierspiel. Ottilies spätere Verlobte, der Philologe Herrmann Brockhaus (Bruder von Wagners Schwäger, Verleger Friedrich Brockhaus, der Oehlenschlägers Werke in Deutschland publizierte) folgte ihr nach Kopenhagen – angeblich zu studieren. Charlotte Oehlenschlaeger spielte warscheinlich als die erste ausserhalb von Leipzig Wagners Sonate in B-dur, sein Opus 1.

Die erste Isolde Malvina Schnorr von Carolsfeldt war Dänin. Cosima und Hans von Bülow machten Urlaub in Klampenborg nördlich von Kopenhagen auf ihre Hochzeitsreise.

Der dänische Märchendichter Hans Christian Andersen besuchte Wagner und bewunderte ihn. Sein Roman, „Lykke-Peer“„Glücks-Peter“ von 1870 – thematisiert die Wagnersche Kompositionsmethode. Andersen hörte 1846 hier in Leipzig im Gewandthaus Felix Mendelssohn die Leipziger-Erstaufführung der Tannhäuserouverture in Expresstempo dirigieren. Andersen war beinahe der einzige, der applaudierte. Rings um ihn zischte das Publikum. Der lange Andersen aber stand auf und fuhr mit seinem einsamen Klatschen fort.

Hiermit sind also ein paar Stichwörter zum Thema Wagner und Dänemark angegeben.

Liebesverbot! – Sex und Antisex in Wagners Dramen

Am Anfang meines Buches Liebesverbot!, das ich Ihnen heute vorstellen möchte, standen einige verwunderte Fragen: mir wollte nicht einleuchten, dass Alberichs Liebesfluch im ”Ring” eine Perversität sein sollte, eine “fluchfertige, furchtbare Tat”, während Parsifals Liebesentsagung fast als absolutes Endziel der Menschheit gelten sollte. Und weshalb ist Parsifals Zölibat so viel besser als Klingsors Selbstkastration? Aus solchen Fragen entwickelte sich das Buch.

Meine Methode im Buch ist teilweise die Symbolanalytische, teilweise die biographische. Heute Abend werde ich mich um einzelne der Themen des Buches konzentrieren:

  • Die Symbolsprache
  • Die Biographische Methode
  • Die verbietende Vatergestalt, und
  • Die mögliche Bedeutung von Wagners 12 Jahre ältere Schwester Rosalie Wagner für seine Texte

Dabei betrachte ich nicht nur die zehn kanonisierte Werke – die Werke die im Festspielhaus in Bayreuth gespielt werden – sondern auch eine ganze Reihe von Jugendwerke und nicht komponierten Texte und Skizzen, die in Allgemeinen nicht sehr bekannt sind.

Ein Paar Vorbemerkungen:

Das Wort ”Liebesverbot” bedeutet in dem von mir benutzten Sinn nicht notwendigerweise, dass eine Person einer anderen das Lieben verbietet. Es handelt sich dabei normalerweise um ein ”inneres” Liebesverbot bei Wagners Personen, das heisst: ”etwas” in der Psyche seiner Protagonisten ”verbietet” die volle Verwirklichung einer Liebesbeziehung. In diesem Sinn umfasst das Wort sowohl Alberichs brutale Liebesabsage, als auch Hans Sachsens resignierte Liebesentsagung, sowohl Wotans schwindenden Liebestrieb als auch Parsifals frommen Zölibat.

Ich betrachte in meinem Buch Wagner – nicht in erster Linie als Komponist – sondern als der mit Abstand grösste Dramatiker unter seine Zeitgenossen. Wen kann man ernstlich mit ihm vergleichen? Im Zeitraum zwischen Goethes Faust. Der Tragödie Erster Teil von 1808 (Schiller war bereits 1805 gestorben) und Ibsens Nora von 1879 ist Wagner – bei aller Hochachtung von Byron, Victor Hugo, Alexander Puschkin und anderen – der weitaus bedeutendste.

Und letzte Vorbemerkung: Sex ist so wie ich es sehe das alles dominierende Hauptthema in allen Wagnerwerken. Ich rede ganz bewusst nicht von „Liebe“, sondern vom „Sex“. Denn es geht bei Wagner niemals um romantische Verliebtheit, Blumen, Schmetterlinge und sehnsuchtsvolle Seufzer. Es geht um das sexuelle Begehren erwachsener Menschen. Im Gegensatz zu den meisten seiner Vorgänger und gleichzeitigen in der Romantik interessierte sich Wagner nicht für die platonische, unkörperliche Verliebtheit oder Liebe. Selbst die Beziehung zwischen den jungen Liebenden Walther und Eva in den Meistersingern ist sehr viel mehr als nur „Verliebtheit“. Wie Eva es formuliert: es ist „ein Müssen, ein Zwang, der einem bang machen kann“.

Dieser Zwang, diese „süsse Not“ betrachtet Wagner nun bald als etwas ganz Wundervolles, bald als quälenden Fluch. Genau um diese rätselvolle pro-Sex-anti-Sex-Dialektik geht es in meinem Buch.

Weil es um Sex ging, betrachtete man Wagner in der breiten Öffentlichkeit als ruchloser Verführer und Vorkämpfer der ungehemmten „freien Liebe“, ein Ruf, der ihm wohl noch bis heute anhängt. Beides ist jedoch ein Missverständnis. Wagner „verführte“ vermutlich nie Frauen seiner Kreise, Minna war vielleicht die einzige Ausnahme, doch viele dieser Frauen verliebten sich in den berühmten und interessanten Mann. Sie verführten sich alle selbst. Und die Liebe war für ihn nie etwas Unproblematisches. Bezeichnenderweise verliebte sich Wagner immer wieder in „verbotene“ Frauen, die Frauen anderer Männer, wie z. B. Jessie Laussot, Mathilde Wesendonck, Blandine Olivier, Judith Gautier-Mendès und Cosima von Bülow. Warum? Man kann vielleicht raten, dass Wagner hierdurch, vielleicht unbewusst, eine unerlaubte, verbotene Passion aus den Teenagejahren imitierte. Wir werden zu diesem Punkt zurückkommen.

Das komplizierte Verhältnis zur Liebe findet man auch bei den Personen in Wagners Werken. In Text auf Text und Drama auf Drama rennen diese Helden und Heldinnen gegen eine Barriere an, die erotische Liebe zwischen ihnen verhindert. In den ersten Texten besteht diese Barriere aus ganz konventionellen Verhältnissen wie gesellschaftlichen Unterschieden oder Sippengegensätzen. Bald aber werden sie verdrängt durch ein inneres „Liebesverbot“, ein psychologisches Hindernis, Später wiederum stösst man auf Texte, in denen die Pointe darin besteht, dass die erotische Energie der männlichen Hauptperson in etwas anders und – muss man verstehen – besseres umgewandelt, dass sie sublimiert wird. Statt sich der fleischlichen Liebe hinzugeben, hat der Held die eine oder andere grosse Aufgabe zu bewältigen.

In der Mitte seines Lebens und beim Ring stellt Wagner das ganze sehr verwirrend auf den Kopf. Wotans und Alberichs Absage an die Liebe wird negativ, wird als Perversion gesehen, nämlich als die Bedingung dafür, dass sich ein Tyrann Macht verschaffen kann. Und noch verwirrender: In seinem letzten Werk, dem Parsifal, preist Wagner wie gesagt erneut die sexuelle Enthaltsamkeit.

Die Symbolsprache

Um Wagners Texte zu dechiffrieren muss man verstehen, dass er ein extrem virtuoser Symbolbenutzer war. Und die erwähnte Liebesproblematik zeichnet sich in Wagners Symbolsprache ab.

Beispielsweise sind sowohl Wotan wie Parsifal mit einem Speer – in meiner Optik: ein phallischer Speer – ausgerüstet, und beide sind daran gehindert, ihn einzusetzen. Bei Wotan sind es, wie Sie erinnern, die in den Speer eingeritzten Runen, die festlegen, dass der Speer nur gemäss den Verträgen benutzt werden darf. Es sind Verträge, die Wotan mit verschiedenen Chaosmächten hierunter mit den Riesen abgeschlossen hat, um sich seine Macht zu sichern.

In Parsifals Fall kann sich der Held nicht mit dem heiligen Speer verteidigen. Warum denn? Weil er sicherstellen muss, dass dieser „unentweiht“ bleibt.

Wotans Speer wird allerdings demonstrativ von dem jungen Siegfried zersplittert. Der Gott, der Macht zu gewinnen suchte, indem er die Liebesgöttin Freia preisgab. Der Gott dessen „junger Liebe Lust ihm verblich“, wird gestürzt.

Parsifals Speer dagegen wird als Zeichen der Erlösung angebetet.  Nachdem er die Versucherin Kundry abgewiesen hat und zum Gralskönig gesalbt worden ist, kann er ihn in der Schlussapotheose triumphierend hoch emporheben.

Ein weiteres Beispiel für diese Symbolsprache ist die Schilderung des Grals in Wagners Broschüre über das Lohengrin-Vorspiel. Bei diesem Vorspiel handelt es sich bekanntlich um ein einziges langes, äusserst raffiniertes Crescendo-Decrescendo.

Es gehe hier um die Anbetung des Grals, schreibt Wagner. Doch diese Anbetung wird unmissverständlich als Sexualritus geschildert wo der Gral als Symbol der Vagina zu verstehen ist. Die Geschichte von der Engelschar, die unsere Gross- und Urgrosseltern entzückte, dient nur als „Deckmantel“. Ich zitiere:

„Dem verzücktem Blicke höchster überirdischer Liebessehnsucht scheint im Beginne sich der klarste blaue Himmelsäther zu einer wundervollen… Erscheinung zu verdichten; in unendlich zarten Linien zeichnet sich… die wunderspendende Engelschar ab, die in ihrer Mitte das heilige Gefäss geleitend, aus lichten Höhen unmerklich sich herabsenkt…Bald zuckt wonniger Schmerz, bald schauernd selige Lust in der Brust des Schauenden auf; in ihr schwellen alle erdrückten Keime der Liebe, durch den belebenden Zauber der Erscheinung zu wundervollem Wachstume erweckt, mit unwiderstehlicher Macht an: wie sie sich erweitert, will sie doch noch zerspringen vor der gewaltigen Sehnsucht, vor einem Hingebungsdrange, einem Auflösungstriebe, wie noch nie menschliche Herzen sie empfanden… Und als endlich das heilige Gefäss in wundernackter Wirklichkeit entblösst und deutlich dem Blicke des Gewürdigten hingereicht wird; als der „Gral“ [in Wagners Anführungszeichen] aus seinem göttlichen Inhalte weithin die Sonnenstrahlen erhabenster Liebe…aussendet, da schwindet dem Schauenden die Sinne; er sinkt nieder in anbetender Vernichtung“. [Zitat Schluss].

Schauder, Schmerz, Lust, das Schwellen und Bersten bei der Enthüllung der „wundernackte Wirklichkeit“ des Grals. Das hinterlässt meines Erachtens nicht sehr viele Zweifel. Doch was man hört hängt natürlich von den Ohren des Hörers ab. Das gestehe ich willig.

Wir wollen nun mit Wagners Worte in Erinnerung das Vorspiel vielleicht mit neuen Ohren hören. In meinen Ohren kann man sich bei den einleitenden Streicherklängen sehr leicht eine erotische Vision vorstellen, und das maskuline Schwellen der Blechbläser bildet dann wohl die Klimax.

Um die wagnersche pro-Sex anti-Sex Dialektik hier kurz zu verfolgen, ist es auffallend und wohl auch ein bisschen erschütternd zu sehen, wie er im „Parsifal“ genau dieselbe Gralsvision beschreibt. Was im Lohengrin-Vorspiel so wundervoll klingt: das Schwellen, Schauder, Bersten und Lust, das ist in Amfortas‘ verzweifelte Replik als Grauen und Höllenpein gesehen:

„Nein! Lass ihn unenthüllt! Oh! Dass keiner, keiner diese Qual ermisst, die mir der Anblick weckt…Des…sündigen Blutes Gewell‘…muss in die Welt der Sündensucht mit wilder Scheu sich ergiessen; von neuem sprengt es das Tor, daraus es nun strömt hervor, hier durch die Wunde…Das heisse Sündenblut entquillt, ewig erneut aus des Sehnens Quelle…“

Die Biographische Methode

Die sogenannte „biografische Methode“ in der Literaturanalyse wurde ja von der „New Criticism“ geradezu tabuisiert. In meinem Buch habe ich trotzdem Wagners biografische Hintergrund einbezogen. Bei ihm sind Leben und Werk ungewöhnlich dicht miteinander verwoben.

Wagners Vater starb wie bekannt als Richard nur ein halbes Jahr war, und der geliebte Stiefvater starb als er war 7. Wagner wusste nicht wer von den Beiden sein biologischer Vater war. Er wusste also auch nicht, wer von seinen Geschwistern nur seine Halbschwestern oder Halbbrüdern waren.

Der Stiefvater hatte grosse Erwartungen für den Knaben gehegt. Er wollte „etwas aus ihm machen“. Ein Ansporn, vielleicht aber auch eine belastende Mahnung für einen vaterlosen Knaben.

In Wagners Werken kehren mehrere dramatisch-literarische Figuren immer wieder, Figuren, die sich ohne weiteres als Spiegelungen Wagnerscher Kindheits- und Jugenderlebnisse verstehen lassen:

Da ist in erster Linie der Held, der vor seinen Aufgaben oft versagt. Zuweilen muss der Held zwischen der Liebe einer Frau und der ihm aufgelegte Mission wählen.

Dann ist da die inzestuöse Faszination des Helden in der Beziehung zu einer Schwester-, Halbschwester-  oder Muttergestalt. Es handelt sich um die tapfere Schwester- oder Muttergestalt, die alles in ihrer Macht stehende unternimmt, um den Helden zu verteidigen, und die typischerweise eine Verteidigungsrede für ihn hält wie Isabella für Claudio im „Liebesverbot“, wie Elisabeth für Tannhäuser und wie Brünnhilde in der Schlussszene des Rings für Siegfried. Sie ist eine himmlische Erlösergestalt, zugleich aber auch eine lockende erotische Vision.

Ausserdem ist da die Gestalt des toten Vaters, die dem Helden als Gespenst oder im Traum erscheint. Entweder muss er gerächt werden oder er hindert, was häufiger geschieht, als verbietender Vaterfigur den Helden daran, sich mit der Heldin zu vereinigen, er befielt dem Helden aber auch aus dem Grab heraus dieses oder jenes zu tun. Wie Titurel Amfortas und wie Alberich Hagen.

Und endlich ist da ja noch auch der Liebestod als dramatisch-literarische Figur.

In Wagners Werke spiegelt sich nun ein nie abgeschlossener Dialog über die Natur der erotische Liebe, in dem der Dramatiker Wagner diese Figuren immer wieder versetzt und neu aufstellt. Der in seinen dramatischen Werken häufig wiederholte Liebestod soll eine Art Lösung für die Probleme und Leiden der Wagnerschen Personen anbieten. Doch dieser Liebestod drückt in Wirklichkeit ja das genaue Gegenteil aus, er zeigt nämlich, dass nie eine Lösung gefunden wurde.

In Rückblick scheint es fast als habe Wagner trotz der Vielfalt der konkreten Ausformungen nur ein einziges Drama geschrieben, das aber immer wieder neu. Und er erzählt uns eine traurige Geschichte:

Seit den frühesten Anfängen ist das Thema erotische Liebe mit dem „Liebesverbot“ verknüpft. In dieser Frühphase machen wie gesagt konventionelle Gegebenheiten die Liebe zwischen den Hauptpersonen unmöglich, Familienzwiste oder Standesunterschiede.

In der Jugendoper Das Liebesverbot stösst man dagegen auf ein ganz anderes geartetes Hindernis. Die Hauptperson Friedrich ist eine psychologisch gespaltene Persönlichkeit. Er betrachtet illegalen, ausserehelichen Erotik als verwerflich, gleichzeitig aber ist genau die sein einziger Wunsch. Seine Heuchelei wird dann entlarvt.

Das Liebeshindernis in den folgenden Werken ist wiederum anderer Art, hier geht es um das Inzestrisiko.

Rienzi und Irene sind Bruder und Schwester, zwischen ihnen glimmt die erotische Glut, zugleich aber ist es ihnen verwehrt, an die Verwirklichung einer erotischen Beziehung auch nur zu denken.

In Die hohe Braut sind Bianca und Giuseppe Ziehgeschwister, und in Die Sarazenin ist Fatima Manfreds Halbschwester.

Nach diesen Jugendwerken machte sich Wagner nun mit der Besessenheit eines Fanatikers und zugleich nahezu mit der methodischen Geduld eines Wissenschaftlers an eine lebenslange, eingehende Untersuchung des eigentlichen Wesens der Liebe. Daraus wurde gleichzeitig, so wie ich es sehe, eine Entdeckungsreise, deren Ziel es war, sein eigenes Lebensrätsel zu verstehen.

Wagner ist selbstverständlich nicht so objektiv, wie man dies von einem Wissenschaftler erwarten würde. Er ist in seinen Werken extrem subjektiv und leidenschaftlich, dennoch geht er in allen diesen Dramen, die in Wirklichkeit immer wieder ein und dasselbe sind, wie ein methodischer Forscher vor. Wie ein Wissenschaftler, der das gleiche Experiment unter ständig neuen Versuchsanordnungen immer neu wiederholt.

Im Fliegenden Holländer ist die Liebe zwischen dem Holländer und Senta nur möglich im Jenseits. Für Tannhäuser und Elisabeth ebenso. Und für Lohengrin und Elsa endet alles in Katastrophe.

In Jesus von Nazaret muss Maria Magdalene sich vergebens nach Jesus sehnen. In Wieland der Schmied können Wieland und Schwanhilde sich nur im Himmel begegnen, und in Siegfrieds Tod finden Siegfried und Brünnhilde sich erst wieder im Jenseits.

In Dem Ring des Nibelungen geht es nicht viel besser. Alberich verflucht die Liebe, Wotans Liebelust ist ihm verblichen, Siegmund und Sieglinde und Siegfried und Brünnhilde gelingt es zwar ihre – in beiden Fällen inzestuösen – Liebesverhältnisse zu verwirklichen aber mit welche katastrophale Folgen?

Für Tristan und Isolde heisst die Lösung wieder: das Jenseits. König Marke, Isoldes Gatte, hat Tristan wie ein Sohn erzogen, also wieder etwas, das Inzest gleicht.

Hans Sachs muss seine Liebe zu Eva („als Weib und Kind“, könnte er sie haben, wie sie sagt) sublimieren, und von dem als Freier anscheinend erfolgreichen Walther dröhnt das Orchester in den letzten Takten der Meistersinger viermal: „Dünkt mich nicht der Rechte!“

Klingsor musste sich kastrieren. Und damit sind wir bei Parsifal, der in Abscheu gegen die fleischliche Liebe mit Muttergestalt Kundry das Zölibat wählte. Dadurch gewann er das heilige Speer mit welchem er Amfortas Wunde heilen konnte. Aber: Was soll uns das sagen? Ich verstehe es nicht. Friedrich Nietzche schrieb:

„Ist der Hass auf das Leben bei (Wagner) Herr geworden…Denn der Parsifal ist ein Werk der Tücke, der Rachsucht, der heimliche Giftmischerei gegen die Voraussetzungen des Lebens [also gegen Sex]“.

Unter allen Umständen scheint den „Parsifal“ mir ein Postulat zu sein. Die Erlösungsszene am Ende scheint mir total unerlöst und auch rätselvoll zweideutig: Parsifal wählt die Zölibat, aber in der Symbolsprache ist die Schlussszene ein Sexualritus: Der Speer und der Gral werden endlich zusammengebracht – was ja eigentlich das ganze Plot im „Parsifal“ ausmacht – von der Spitze des Speers rinnt Blut mit Sehnsucht zu dem Blut im Gral. Gleichzeitig erglüht der Gral – ein reiner Sexualritus.

Trotz alle die verschiedenen Versuchsanordnungen, die Wagner in seinen Dramen aufstellte, gelang es ihm nie die heikle Frage von Landgraf Hermann in „Tannhäuser“: „Könnt ihr der Liebe Wesen mir ergründen?“ zu lösen. Alle seine Personen stossen auf die Barriere des Liebesverbots. Bald wird dieses als tragisch gesehen, bald aber als heroische Selbstbeherrschung. Sowohl die ewig wiederkehrende Barriere als diese Wagnersche Ambivalenz sind mir ein Rätsel.

Die verbietende Vatergestalt

Wagners doppelter Vaterverlust spielt in seine Dramen eine Rolle, die nicht zu überschätzen ist. In Briefen und in seiner Autobiografie spricht Wagner von sein Stiefvater Ludwig Geyer immer voller Liebe und Dankbarkeit. Geyers Bild hatte einen festen Platz auf Wagners Arbeitstisch. Unbewusst scheinen aber sowohl der früh verstorbene Vater Friedrich Wagner als der Stiefvater eine nicht so eindeutige Rolle gespielt zu haben.

In dem Teenagerstück „Leubald und Adelaïde“ erscheint der ermordete Vater als Geist seinem Sohn Leubald, der geloben muss, den Mord an dem Mörder und seiner ganzen Sippe zu rächen. Unglücklicherweise verliebt sich aber Leubald in des Mörders Tochter Adelaïde, und der Geist von Leubalds Vater exekutiert nun das erste „Liebesverbot“, indem er sich unaufhörlich zwischen die Annäherungen der Liebenden drängt.

Auch in den „Feen“, Wagners erste vollendete Oper, tritt ein Vatergespenst auf, wenn auch nur spasseshalber. Der Held glaubt, den Geist seines Vaters zu sehen, der ihm befiehlt seine Geliebte zu verlassen. Das erweist sich jedoch als blosse Vorstellung, ein Streich, den ihm seine Männer spielen, um ihn in das von Feinden bedrohte Vaterland zurückzuholen.

In „Rienzi“ droht der von Rienzis Truppen erschlagene Colonna als Vatergespenst dem Sohn Adriano, der in Rienzis Schwester Irene verliebt ist, und fordert Rache.

In „Tannhäuser“ ist Landgraf Hermann als Stiefvaterfigur Elisabeth IN LOCO PARENTIS und gleichzeitig die verbietende Vaterfigur, der Tannhäuser des Landes verweist: „Wir stossen dich von uns, bei uns darfst du nicht weilen!“

In „Lohengrin“ ist Elsas und Gottfrieds Vater tot. Der böse Stiefvater Friedrich von Telramund wünscht Elsa zu heiraten und gleichzeitig ihr zu entthronen. Zuletzt wird er getötet.

In „Siegfried“ sperrt die Urnordische Vatergestalt, Grossvater Wotan Siegfried den Weg, als der Held zu der schlafende Brünnhilde vorzudringen wünscht. Noch ein „Liebesverbot“.

Und Siegfried erkennt da, dass er vor dem Mörder seines Vaters steht und greift Wotan an. Das heisst, dass die Szene in einer Art Doppelexponierung zwei Bilder kombiniert. Das Bild des Sohnes, der seinen Vater rächt, mit dem Bild des eine Vaterfigur angreifenden Sohnes.

Man hat hier das vielleicht allerdeutlichste Beispiel der Wagnerschen Hilflosigkeit, wenn er versucht, sich mit dem frühen Tod von Vater und Stiefvater auseinanderzusetzen.

In „Götterdämmerung“ ist das Vater-Sohn-Thema in die nächtlich-unheimliche Szene zwischen Alberichs Vatergespenst und der schlafende Hagen geschildert. Das Gespenst des Vaters, der aus seinem Sohn (wie einst Stiefvater Ludwig Geyer) „etwas machen will“.

In „Tristan und Isolde“ ist Marke die schwache aber immerhin verbietende Vaterfigur, der die nächtliche Liebesszene zwischen die beiden Hauptpersonen abbricht.

In den „Meistersingern“ gelingt es Hans Sachs als verbietende Vaterfigur zu verhindern, dass Walther und Eva abhauen, ehe er als freundliche, hilfreiche Gestalt alles zu einem anscheinend Happy End leitet.

Und endlich im „Parsifal“: Obwohl Titurel als lebend-tot schon in seinem Sarg liegt, befiehlt er aus der Krypta unter dem Gralstempel mit Stentorstimme seinem immer verzweifelter Sohn Amfortas, die Gralsrituale weiterzuführen, ein schockierendes Bild der Bedeutung des „toten Vaters“.

Das verbietende – Sex verbietende – Vatergespenst und die verbietende Vaterfigur überhaupt sind mir ein Rätsel. Gewiss hängt es mit Wagners doppelter Vaterverlust zusammen, aber wie und warum? Ich kann es mir nicht erklären.

Die mögliche Bedeutung von Rosalie Wagner

Sehr wichtig für die Wahl von Themen zu seinen Dramen scheint es mir zu sein, wie Wagner die Frauen seiner Kindheit und Jugend erlebte. In der 12 Jahre älteren Rosalie, auf die ich mich hier konzentriere, hatte er eine Schwester – oder auch Halbschwester, das wusste er ja nicht – die ihn anregte und beriet, ihn zugleich aber auch verteidigte und stützte, wenn er sich unmöglich benahm.

Wagners yndlingssøster, skuespillerinden Rosalie Wagner, indbegrebet af selvopofrende, himmelsk kærlighed. Den første Gretchen i Goethes ‘Faust’.
Sterben die Menschenmútter an ihren Söhnen alle dahin? (Dör alla människomödrar när de föder sina söner?) (Ur operan Siegfried, II; 2)

Rosalie hatte Richards gesamte Kindheit miterlebt, sie „sah das Kind an seiner Mutter Brust“, wie es in Parsifal heisst. Rosalie war als Schauspielerin die berühmteste von Richards fünf Schwestern. Sie spielte mit grossem Erfolg als erste in Deutschland die Rolle des Gretchen in Goethes Faust.

Der Theatermann und Schriftsteller Heinrich Laube schrieb über ihren intelligenten Spielstil:

„Ich habe das Gretchen nie mit so intensiver Kraft der Empfindung spielen sehen. Es ist mir hier zum ersten Male beim Ausbruch von Gretchens Wahnsinn kalt bis ins Mark gedrungen, und ich habe bald eingesehen, woran es liegt. Die meisten Schauspielerinnen schrauben den Wahnsinn zum Pathos, zur Unnatur hinauf, sie sprechen ihn hohl, gespensterhaft. Rosalie Wagner sprach ihn mit derselben Stimme, mit der sie kurz zuvor ihre Liebesgedanken gesprochen; dieser grauenhafte Gegensatz brachte die grösste Wirkung hervor“.

Wagner schildert in Mein Leben seine Familie als eine fröhliche und lebhafte, aber auch etwas lärmige und unruhige Gesellschaft. Mit Ausnahme von Rosalie.

Rosalie war anders. Sie hatte Stil. Sie war die erste, die Richards besondere Fähigkeiten erkannte. Zunächst war sie eiskalt zornig über seine jugendlichen Eskapaden im Flegelalter und in den Jahren danach, die er mit Sauferei, Glücksspiel und Schlägereien verbrachte, doch ihre Haltung änderte sich, als sie zu ahnen begann, was er in sich hatte.

Sie verteidigte ihn jetzt gegenüber der Familie und versuchte ihn zu der Einsicht zu bewegen, dass er seine ungewöhnliche Begabung pflegen und weiterentwickeln müsse.

Einige von Richards ersten Kompositionen, Lieder zu Texten aus Faust, sind Rosalie zugedacht. Sie wurde seine erste Kritikerin und Mentorin. Als Wagner seine erste Oper Die Feen geschrieben hatte, rannte Rosalie Theaterleitungen und Konzertdirektionen die Bude ein, um eine Aufführung des Werkes zu bewirken – leider vergeblich.

Rosalie unterstützte finanziell die zahlreiche Familie mit das Walkürenensemble der vielen Schwestern nach dem Tod des Stiefvaters.

Richard genoss die vornehme Ruhe in Rosalies Räumen. Er schämte sich, wenn er sie mit seinem Benehmen immer wieder enttäuscht hatte, und entwickelte, wie er sagt, „eine zarte, ja fast schwärmerische Neigung…zu der mütterliche(n) Schwester…welcher in Reinheit und läuternder Wärme wohl nur die edelsten Beziehungen zwischen Mann und Weib zur Seite gestellt werden können.“ War er in sie verliebt?

Rosalie blieb jedenfalls für ihn immer das Bild himmlischer, aufopfernder Liebe. Von Mitleid gequält hörte er nachts Rosalie allein in ihrem Schlafzimmer weinen. Er begriff, dass sie sich nach einem Leben als Gattin und Mutter sehnte, dass sie geopfert hatte, um ihren zahlreichen Familienmitglieder versorgen zu können.

Rosalie heiratete erst, nachdem alle anderen Schwestern verheiratet waren. Ein Jahr nach ihrer Hochzeit starb Rosalie 1837 tragisch nach der Geburt ihres ersten Kindes noch im Kindbett. Höchstwahrscheinlich ist es die Erinnerung an dieses traurige Ereignis, die Wagner Tristans und Siegfrieds Mütter nach der Geburt ihrer Söhne sterben lässt.

Rosalie, die sich für ihre Familie aufopferte, wurde zum Urbild der himmlischen, selbstlose Liebe, die Liebe von Senta und Elisabeth. Man darf wohl auch annehmen, dass diese „mütterliche Schwester“ zum Vorbild wirklich vieler andere Wagnerscher Heldinnen wurde, vor allem zu Sieglinde.

Rosalie verkörperte dabei nicht nur die himmlische „reine“ Liebe, sondern als Schwester- und Muttergestalt auch die verbotene, doch verführerische inzestuöse Liebe.

Trotz des orientalischen Schleiers ist sie als Fatima in der Sarazenin, als Bianca in Die hohe Braut und als Irene in Rienzi verhältnismässig leicht erkennbar. Begreift man die Handlung in Lohengrin als maskierte Inzestkonflikt, wozu ich neige, (strukturell fällt es auf, wie sehr Lohengrin und Gottfried sich ähneln), dann lässt sich auch Elsa als eine „ältere Schwesterfigur“ verstehen. Die verbotene Frage nach Lohengrins Identität könnte eine Spiegelung dieser Problematik sein, eine Parallele zu Fatimas Schleier in der Sarazenin und zu dem Tarnhelm, der Siegfrieds Gesicht verdeckt, als er in der Götterdämmerung Brünnhilde aufs Lager zwingt.

Elsa, Manfred und Brünnhilde dürfen nicht wissen, wer der Partner wirklich ist. Ich vermute, dass man Rosalie auch noch in den späten „mütterlichen“ Figuren Brünnhilde und Kundry findet.

(Auch Wagners erste Frau, Minna, spielt gewiss eine Rolle in den Dramen. In Ihr hatte Wagner während der ersten Jahre ihres Beisammenseins die unwiderstehlich sexy, allerdings nicht gerade offenkundig treue Verführerin gefunden. Sie scheint eine Rolle für die Handlung im Fliegenden Holländer, in Der Bergwerke zu Falun und im Lohengrin zu spielen, wo die Hauptpersonen ihre Partnerin verlassen wollen. Minna sollte später als Venus im Tannhäuser und in einer älteren und frustrierteren Ausgabe als Fricka im Ring porträtiert werden).

oooOOOooo

Ich vermute also, dass Wagners Beziehung zu Rosalie und die trüben Erfahrungen mit Minna eine Rolle für Wagners Wahl von dem Hauptthema in seinen Dramen spielen. Zugleich muss ich jedoch erkennen, dass Wagners Ansicht von der Unmöglichkeit der Liebe mir ein Rätsel ist.

Was will uns Wagner mit all diesen Inzestgeschichten sagen? Ist seine etwas auffällige autobiographische Bemerkung, die Mutter habe ihn nie geliebkost, und „zärtliche Ergiessungen“ hätten in seiner Familie nicht stattgefunden, wahr?

Oder ist es nur der Versuch, etwas zu verschleiern.

Geht es um die Sehnsucht nach schwesterlicher Zuwendung? Oder mütterlicher?

Oder steckt Rosalie, wie ich glaube, hinter die Mutter- und Schwesterfiguren seiner Dramen? Hatte Wagner wie Tannhäuser „den Lästerblick zu ihr gehoben…die Gottgesandte frevlend zu berühren“?

oooOOOooo

In meinem Buch bin ich wie Sie verstehen können auf viele Rätsel gestossen: Warum ist die Liebe bald etwas Gutes bald aber etwas Schlechtes? Und warum ist sie fast immer unmöglich, unrealisierbar?

Warum ist die Vatergestalt so gut wie immer ein böser sexverbietender Geist?

Was bedeuten alle diesen Inzestgeschichten?

Sichere Antworten habe ich nicht gefunden – nur was ich mit Beklommenheit „Ratereien“ nennen würde.

Grosses Leid und grosse Verzweiflung scheinen die treibende Kraft in fast aller Wagnerschen Musik und in nahezu allen seinen Dramen zu sein. Er war besessen von dem Thema „erotische Liebe“ und von deren seiner Auffassung nach grundlegenden Unmöglichkeit hier im irdischen Leben. Es ist ungeheuer traurig zu sehen, wie er in Werk auf Werk gegen die Gitter seines mentalen Gefängnisses anrennt: so viel Liebestod!

Gleichzeitig fasziniert Wagners Darstellung der unmöglichen Liebe aber auch.

Ungeachtet des möglicherweise persönlichen Hintergrunds, haben seine Werke einen völlig allgemeingültigen und archetypischen Charakter. Sex unterlag in allen Gesellschaften und zu allen Zeiten schon immer einer „doppelten Optik“, er galt und gilt (selbstverständlich) als anziehend, zugleich aber auch als gefährlich. Wie gefährlich lässt sich ohne weiteres erkennen, wenn man sich anschaut, wie viele Sexualmorde, Vergewaltigungen und Sexualverbrechen überhaupt geschehen.

Die sich organisierende Gesellschaft hat zu allen Zeiten verschiedene Strategien entwickelt, um diese Gefährlichkeit zu dämpfen. Das reicht von der puritanisch bornierten Tabuisierung bis zur verflachenden Trivialisierung in Bordellen und Pornographie und sogar in gut gemeinter Sextherapie. Solche „dämpfenden Strategien“ dominieren unser Geschlechtsleben. In den modernen permissiven Gesellschaften sagen wir einander, dass Sex keine grosse Sache is, „it is not such a big deal“.

Wir haben es hier mit einem Paradox zu tun: zum faszinierendsten der Wagnerschen Dramen gehört es, dass sie die konventionelle gesellschaftliche Tabuisierung oder Trivialisierung sprengen, versuchen uns „das Fürchten zu lehren“, zeigen uns die erotische Liebe als tatsächlich eine grosse Sache „a big deal indeed“.

Vielen Dank für Ihren Aufmerksamkeit.

Henrik Nebelong


Utdrag ur boken på danska

De sidste måneder i Paris skriver Wagner to tekster, der begge har afkaldet på erotisk kærlighed som tema: ‘Die Sarazenin’, ‘Saracenerinden’, og ‘Die Bergwerke zu Falun’, ‘Bjergværket i Falun’. Ingen af dem bliver nogensinde sat i musik. I ‘Die Sarazenin’ støder vi for første gang hos Wagner på den idé, at afkaldet på ero­tisk kærlighed er betingelsen for at opnå noget højere og for at udføre en stor opgave. I teksten møder vi herudover en række velkendte temaer: den døde fader, den tunge byrde ved at leve op til ham, elskovsforbuddet, her kombineret med temaerne den elskedes ukendte identitet og incestuøs søskendeksrlighed mellem en halvbror og en halvsøster.

Die Sarazenin

Hovedpersonen i dette drama er prins Manfred (1232-1266) søn af kejser Friedrich II. Fra 1258 til sin død var Manfred konge af Sicilien og Syditalien. Den store kejser er nu død, og hans rige er ved at gå i opløsning. Manfred lever som en forkælet playboy ved hoffet i Capua. Han skammer sig over ikke at kunne leve op til sin døde far. Italienerne ved hoffet spotter ham. En aften optræder en mystisk og tilsløret arabisk kvinde, Fatima, med sin sang ved hoffet. Da Manfred spørger hende, hvem hun er, er alt hvad hun siger, at hun er sendt af hans far: ‘Der grosse Kaiser Friedrich,/ dein Vater sendet mich!’ Hun synger nu om den store kejser. Sangen opflammer Manfred. Han beslutter sig for at smide sine italienske plageånder på porten.

De italienske hoffolk samler nu tropper. Manfred tvinges til at flygte med en lille gruppe tilhængere. I en øde bjergegn viser Fatima sig atter for ham, denne gang uden sit slør. Hun siger ham, hvorledes han kan besejre sine fjender. Man­fred gribes af kærlighed til hende, men hun afviser ham:

‘Tilbage! Manfred! Du må mig aldrig favne!… Jeg er din lykke, så længe jeg undviger dig; men gru og afsky over dig, hvis du mig favner -. Manfred bliv konge!’

Det er ord, der ekkoes så sent i Wagners produktion som i sidste akt af ‘Siegfried’, da Brünnhilde synger:

'Ewig war ich, ...

doch ewig zu deinem Heil!-...

Lass, ach lass,

lasse von mir!

Nahe mir nicht

mit der wütenden Nähe!...

zertrummre die Traute dir nicht! -

Ewig licht

lachst du selig dann

aus mir dir entgegen,

froh und heiter ein Held!
'Evig var jeg, ...

men evig kun dig til gavn!...

Vig, ak vig,

undvig du mig!                   

Kom mig ej nær

med din stormende nærhed! ...

Se ikke din trofaste knust! -…

Evigt klar

skal du kærligt le

fra mig mod dig selv da,

glad og munter: en helt!

Konge i det ene tilfælde, helt i det andet: Der er en højere mission, der venter på Manfred og Siegfried. En højere mission, der tilsyneladende kun vil kunne gennemføres, hvis den erotiske kærlighed undviges. I modsætning til Siegfried accepterer Manfred fortvivlet. Det lykkes ham at slå sine fjender, men ved hans kroningsceremoni myrdes Fatima. Hun dør for hans fødder, idet hun lige når at fremhviske, at også hun er barn af kejser Friedrich. Hun var Manfreds halvsøster.

Manfred belønnes altså med kongekronen for sit afkald på fysisk kærlighed. Således kan han omsider leve op til sin store fader og begynde at genoprette hans rige. (Ligeledes må Wagner på ét eller andet plan have forestillet sig, at Siegfried for at fuldføre sin mission (hvad den så end var: befrielse af nibelungerne og tilbagegivelse af ringen til rhindøtrene?) skulle have afstået fra Brünnhilde. Men Siegfrieds tragiske skæbne skyldes – i hvert fald på det umiddelbare handlingsplan i ‘Ringen’ – hans og Bünnhildes besiddelse af ringen, som den onde Hagen efterstræber, ikke det forhold at han, Wotans barnebarn, har oplevet den fysiske elskov med Wotans datter, Brünnhilde).

 I anslutning till Wagnertexterna av Henrik Nebelong följer här ljudfiler med ännu en dansk guldglänsande Wagner-auktoritet    – tenoren Lauritz Melchior från Köpenhamn (1890 – 1973).

Många ljudupptagningar finns med Melchior. Dock nästan uteslutande excerpter och livesändningar. Kärleksscenen ur Tristan är bevarad live från Covent Garden 1936. Isolde är Kirsten Flagstad och dirigent Fritz Reiner (1888 – 1963). Den mycket noggranne Reiner var med judiskt påbrå från Budapest, samarbetade på 1920-talet med Richard Strauss, lyckades före det tyska naziherraväldet ta sig till USA (ledde symfoniorkestrar bl a i Pittsburg och Chicago). Dirigerade denna Tristanföreställning  vid ett tillfälligt gästspel i London.

Vi ger avsnittet ”O sink hernieder Nacht der Liebe” till det att Kurwenal ropar: ”Rette dich, Tristan!”. En talande samlagsskrildring från den största ömhet över böljande extas till det brutala avbrottet coitus interruptus. (Längd 23:35)

Följer Siegmunds vårsång ”Winterstürme wichen dem Wonne Mond” i två tappningar. Först en upptagning från år 1921 utan elektrisk mikrofon men med dåtidens stora trattar. Melchior sjunger här på danska ”Vinterstorme vike for Vaarens Gud”. Översättningen är av 1917 års nobelpristagare i litteratur Karl Gjellerup (1857-1919). Denne producerade sig religionsfilosofiskt och inte minst om Richard Wagner i en anda som svindlar vid antisemitismens avgrund.
Den upptagning som kommer därpå är från sångarens 70-årsdag (1960) och innehåller i original hela första akten av Walküre.
(Längd 5:42)
Det tredje ljudspåret med Lauritz Mellchior ansluter till Nebelongs danska text om Wagners icke tonsatta utkast ”Die Sarazenin” och hänsyftningen på sista akten av operan Siegfried ”Ewig war ich und ewig bin ich” (temat finns också i kammarstycket Siegfried-Idylle.)

Kirsten Flagstad är den till våldsam åtrå väckta bruden     – ”Fürchtest du nicht das wild wütende Weib!”. Den påtalade textmässiga parallellen kommer i avsnittets trettonde minut. Judisk dirigent med frisk fläkt den 30 januari 1937 på Met i New York är Arthur Bodansky (1877-1939)
(Längd 23:21)